Der spanische Anarchismus

 

Die Anarchisten im Bürgerkrieg
1868 reiste Giuseppe Fanelli - ein Italiener, der nicht einmal Spanisch sprach - nach Barcelona, um im Auftrage Bakunins eine anarchistische Bewegung zu gründen. Diese wurde bald zur größten Gruppierung der europäischen Anarchisten und war in den 30er Jahren die stärkste Kraft innerhalb der spanischen Linken (Cattepoel, 1979: 124). Bald läßt sich allerdings auch ein starker theoretischer Einfluß Kropotkins ausmachen; es trat ein deutlicher Unterschied zwischen Bakunisten und den Anhängern Kropotkins zutage, bis der spanische Anarchismus schließlich von dem theoriefeindlichen Anarchismus Bakunins abrückte (Berneker, 1977: 82; 1978: 36).
Während des Bürgerkrieges gelang es den Anarchisten in einigen Teilen des Landes, den Militäraufstand niederzuschlagen und in den Jahren 1936 -1939 Gemeinwesen nach ihren Vorstellungen zu errichten. Andalusien - die Hochburg der agrarischen Anarchisten - wurde bereits nach wenigen Monaten von franquistischen Truppen besetzt. In Aragonien und Katalonien lebten allerdings mehr als 1 Millionen Menschen etwa zweieinhalb Jahre in ca. 1200 ländlichen Kollektiven, in den Städten, insbesondere in Barcelona, übernahmen anarchistische Arbeiterräte die Fabriken (Cattepoel, 1979: 124, 125).
Das Ziel war eine an Kropotkins Entwürfen ausgerichtete Föderation selbständiger Produktionseinheiten; ausdrücklich bezogen sich die spanischen Anarchisten auf die Anthropologie Kropotkins, die er in "Mutual Aid" darstellte: Solidarität und Verantwortungsgefühl sollten an Stelle von Autorität treten (Bernecker, 1978: 43). In den ersten Monaten entstanden tatsächlich eine Vielzahl improvisierter Organisationsformen, häufig von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich, auch zwischen den ländlichen Kommunen gab es große Unterschiede in ihrer Organisation. Unter dem Schlagwort "Jeder nach seinen Bedürfnissen" wurden vielerorts jegliche Zahlungsmittel komplett abgeschafft oder es wurde zumindest ein nach Leistung gestaffelter Individuallohn durch einen an Bedürfnissen ausgerichteten Familienlohn ersetzt (Bernecker, 1978: 113)
Auch der militärische Dienst erfolgte auf freiwilliger Basis, es wurden Kolonnen ohne Hierarchie geründet, die die franquistischen Truppen bekämpften. Die Motivation der Soldaten scheint sehr hoch gewesen zu sein, obwohl es keinerlei Disziplinarmaßnahmen gab und jeder nach Belieben die Front verlassen konnte. Ein großes Problem bestand von Anfang an in dem internationalen Boykott der Anarchisten; es brachen nicht nur sämtliche ausländischen Absatzmärkte für sie weg, sondern vor allem bekamen sie keinerlei militärische Unterstützung bzw. Waffenlieferungen aus dem Ausland, wohingegen Franco von den Italienern und Deutschen mit neuestem Material und Truppen und die Republik von Stalin versorgt wurden (vgl. Paz, 1994).
Die Anarchisten wichen schließlich von ihren Prinzipien ab, als sie mit einem kasuistischen Wirtschaftsinterventionismus begannen, um den Erfordernissen einer Kriegswirtschaft gerechter zu werden, eine Hierarchisierung begann sich herauszubilden (Auweder, Schuhmann, 1987: 83 ff.; Berneker, 1978: 206). Zudem standen sie vor dem Dilemma, entweder die republikanische Regierung zu unterstützen, von welcher sie noch kurz zuvor verfolgt worden waren, oder Franco den Sieg zu überlassen. Die Regierungsteilnahme und die Hierarchisierung schwächte die Solidarität unter den Anarchisten, sie verloren zunehmend an Einfluß, dennoch kämpften viele bis zum Schluß des Bürgerkrieges und manche noch darüber hinaus bis in die 50 er Jahre als Guerillas (Cattepoel, 1979: 125; Paz, 1994: 733).
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